Trauer ist grau

Wenn Trauer eine Farbe hätte, dann wäre sie Grau. Sie wäre von einem undurchdringlichen und dunkeln Grau, dass sich wie ein schwerer Schleier über die Menschen legt, dachte sie. Ja, Trauer wäre Grau. Trauer war Grau. Ein hässliches und abweisendes Grau, dass es fertig brachte, allem Anderen um einen rum die Farbe herauszusaugen- das satte Grün aus dem Gras, das fröhliche Blau des Himmels und das energiespendende Gelb aus der Sonne. Und je mehr Farben der Aussenwelt die Trauer an sich gerissen und in sich hineingezogen hatte, desto düsterer wurde die Aussenwelt und dunkler das Grau der Trauer.

Das geht so lange, bis die Welt in Grau versinkt und die Trauer selbst zu einem alles überdeckenden Tiefen Schwarz geworden ist.

Einmal an diesem Punkt angelangt, laugt dich die Trauer aus, saugt alle Energie aus dir heraus und es wird immer schwieriger, ihren Fängen zu entringen.

Ja, erkannte sie, die Trauer ist weniger ein Gefühl als eine Seuche, die sich über die Herzen und Seelen der Menschen legt und ihren Blick mit einem grauschwarzen Schleier vertrübt. 

"Geh weg!", schrie sie mit Tränen in den Augen. "Hau ab, verschwinde aus meinem Leben!", schrie sie mit einer ihr selbst bis anhin unbekannten Ohnmacht in der Stimme. Ihre Stimme brach und sie zitterte am ganzen Leib. "Du bist eine Seuche.", flüsterte sie, immer und immer wieder. 

Sie rollte sich auf ihrem Bett zusammen, die Knie bis ans Kinn gezogen schlang sie die Arme darum und schloss die Augen. Sie schloss die Augen und wollte alles Andere damit aussperren. Die Trauer. Die Farbe. Das Leben.

Sie schloss die Augen und liess die Tränen über ihr Gesicht und ihre Wangen rinnen und im Kissen versickern.