Leben- dritter Teil


Unterwegs machte er in einer Bäckerei halt, kaufte ein paar Brötchen und einen Kaffee zum Mitnehmen. Zuhause stellte er die Tragtasche, die er in der Bäckerei erhalten hatte vor der Haustür ab und kramte seinen Schlüssel hervor. Vorsichtig drehte er ihn im Schloss um und drückte die Klinge nach unten- es musste ja nicht zwangsläufig jemand seine Rückkehr bemerken. Auf Zehenspitzen schlich er sich in die Küche und schlürfte dort, an die Kombination gelehnt, seinen Kaffe. Er war nicht mehr richtig heiss, doch es reichte immer noch aus, um seine Lebensgeister ein wenig zu wecken und seinen Brummschädel zu besänftigen. Gerade überlegte er sich, noch einmal ins Bett zu gehen, als er hörte, wie eine Tür aufging und sich tapsige Schritte in seine Richtung bewegten. Verdammt, schoss es ihm durch den Kopf. Genau das wollte ich vermeiden.
„Morgen“, sagte er stattdessen und versuchte, möglichst normal zu klingen. Sie zuckte zusammen, hatte ihn noch nicht gesehen und brummte dann nur etwas Unverständliches. Sie sah müde aus, hatte Ringe unter den Augen und verwuscheltes Haar. Der Morgenmantel und die flauschigen Hausschuhe, die ihre Füsse wärmten trugen ihr eigenes zum Gesamtbild bei. Sie hatte so gar nichts mit der schlafenden Schönheit gemeinsam, die er in der anderen Wohnung zurückgelassen hatte, dachte er sich und doch durchströmte ihn eine Woge von Zärtlichkeit für diesen Morgenmuffel.

„Hunger? Ich habe Brötchen gebracht…“, versucht er es noch einmal. „Brötchen..?“, fragte sie und ihr Gesicht hellte sich etwas auf. „Ich habe den Kaffe gerochen- gibt’s noch welchen?“, erkundigte sie sich. Entschuldigend zuckte er mit der Schulter; „Tut mir Leid, ich hab’ mir von unterwegs einen mitgenommen.“, streckte ihr aber gleichzeitig seinen Becher hin. „Ich kann noch welchen machen, wenn du magst“. Dankbar nahm sie den warmen Becher entgegen, nahm einen grossen Schluck und verdrehte theatralisch die Augen. „Klingt wunderbar- Danke!“, meinte sie und beugte sich vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Als sie sich von ihm löste, rümpfte sie die Nase. „Du stinkst!“, empörte sie sich. „Du bist doch nicht gerade erst nach Hause gekommen?“ und obwohl sich ihre Stimme am Ende des Satzes hob, wusste er, dass es eher eine Bemerkung als eine Frage war. Er kannte sie zu gut. Sie kannte ihn zu gut.

Er zuckte nur wieder mit den Schultern und drehte ihr den Rücken zu, um Kaffee zu kochen. Eine Antwort war ohnehin nicht nötig. Wenn er auch nur halb so schrecklich und durchnächtigt aussah, wie er sich fühlte, sprach alleine sein Anblick Bände. „Zucker?“, fragte er, um dabei das Gefühl zu verdrängen, das ihr bohrender Blick auf seinem Rücken in ihm auslöste. Er wusste genau, wie sie ihn jetzt ansah. Er kannte den Blick nur zu gut. Wut und Enttäuschung würde er in ihrem Blick sehen. Sorge und Verärgerung zugleich. Und Mitleid- das Mitleid war am schwersten zu ertragen. Schliesslich blieb ihm keine Wahl mehr. Er schüttete den aufgebrühten Kaffee in ihre Lieblingstasse, drehte sich um und hielt ihr den Becher hin. „Et voilà, Mademoiselle. Stets zu Diensten“, versuchte er zu spassen und wich dabei ihrem Blick aus. Er griff sich stattdessen ein frisches Brötchen und biss gespielt geniesserisch hinein. „Mhh, die sind gut…“, schwärmte er, verdrehte die Augen und wollte sie damit zum Lachen bringen. Früher konnte er sie immer zum Lachen bringen. Mit niemandem lachte er so gerne wie mit ihr. Doch ihr Schweigen liess ihn verstummen. Ihr Schweigen und ihr Blick übernahmen das Sprechen, sagten genug aus. Seufzend zog er sich einen Stuhl heran, setze sich rittlings darauf und konzentrierte sich auf sein Brötchen. Plötzlich merkte er, dass er immer kleinere Bisse nehmen musste, denn sonst wäre er zu schnell damit fertig gewesen. Dann müsste er sie wieder anschauen, ihren Blick ertragen.

Kommentare

  1. irgendwie verwirrt mich diese Geschichte immer mehr... Da dachte ich, ich wüsste ungefähr, wie's weitergeht und dann kommt der nächste Teil... Verbrecher, notorischer Fremdgeher oder doch liebender aber überfroderter Ehemann..? no idea...

    Kann den nächsten Teil kaum erwarten!

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  2. your story is my kinda motivation to "not i mim chrank-si-selbstmitleid " z versinke..i really like it and i'm really lookin forward to read the next parts of it!

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