Pictures fade, but memories last a lifetime- Part 1/2

Die Geschichte kam endlich aus meinem Kopf heraus.
Für Schmetterling.
Und M.


Der letzte Schnee war geschmolzen, es roch nach Frühling, die Welt erwachte zum Leben. Die ersten Krokusse sprossen aus dem Boden, neigten ihre Köpfchen den ersten wärmenden Sonnenstrahlen zu. Pärchen schlenderten Hand in Hand durch den Park. Eltern spielten mit ihren Kindern am See, Grosseltern gingen mit ihren Enkelkindern spazieren. Eine Gruppe Teenager hatte sich auf einem Platz versammelt; die Jungs mit Skateboards lässig unter die Arme geklemmt, die Mädchen, die ihnen bewundernde Blicke zuwarfen auf einer Bank daneben. Glückliche Menschen, wo sie nur hinschaute. Ein klischeehafter Tag.


Den Blicken von entgegenkommenden Menschen ausweichend, eilte sie durch den Park. Sie wollte all das Glück um sie herum nicht sehen, sie konnte es nicht ertragen. Zielstrebig setzte sie einen Fuss vor den anderen, so dass die Menschen ihr ausweichen mussten. Niemand hätte gewagt, sie anzusprechen, und doch fühlte sie die Blicke mancher auf sich ruhen. Fragend, besorgt.


Sie schlug einen schmalen Kiesweg ein. Man musste wissen wo er lag, um ihn zu finden, zwischen zwei Bäumen führte er ins Dickicht. Mit den Händen musste sie sich den Weg frei bahnen. Ausser ihr, schien nie jemand diesen Weg zu benutzen, was sie allerdings nicht verwunderte. Äste kratzten ihr die Beine auf, sie ignorierte sie, hielt aber ab und zu die Hand vors Gesicht, um wenigstens dieses zu schützen. Noch eine Biegung, dann trat sie aus dem Gestrüpp hinaus auf eine Wiese. Sie hielt sich die linke Hand vor die Augen, da die Sonne sie blendete. Gleichzeitig streifte sie mit der anderen Hand ihre Schuhe von den Füssen. Das Gras war taufrisch, kalt. Sie schauderte. Und doch mochte sie das Gefühl, konzentrierte sich darauf. Es lenkte sie ab. Bedächtig lief sie durch das Gras. Sie konnte es riechen. Es kitzelte ihre Füsse, manchmal stach es auch. Es erinnerte sie an ihre Kindheit. Wie sie am Morgen früh nur im Nachthemd bekleidet und barfuss draussen im Garten gespielt hatte, um ihre Eltern nicht zu wecken, bis der Duft nach Pfannkuchen sie dann in die Küche gelockt hatte. Sie erinnerte sich, wie sie die Tautropfen auf den Rosenblättern betrachtete und sich überlegte, ob diese wohl die Träne eines Engels seien.


Ohne es zu merken, war sie an ihrem Ziel angekommen. Die tröstenden Erinnerungen fielen von ihr ab, wie Laub im Herbst von den Bäumen. Sie fühlte sich schwer. Langsam setzte sie sich in das feuchte Gras und lehnte sich mit dem Rücken an ihren Baum. Sie fand, dass sie sich schon genug lange immer hier hin setzte, um ihn auch so nennen zu dürfen. Es war ein Kirschbaum. Sie mochte seine rötlichbraune Rinde, den Stamm, der ihr Halt gab. Wenn sie den Kopf zurücklehnte, konnte sie die Baumkrone sehen, in der eine Unzahl von weissen Knospen wuchs. Einige waren noch verschlossen, doch jeden Tag blühten mehr und mehr auf. Manchmal lösten sich einzelne Blütenblätter, schwebten, von einem lauen Lüftchen getragen, langsam zu Boden. Es sah aus wie ein Tanz und wenn sie eine der Blüten mit ihren Händen erhaschen konnte, strich sie behutsam mit den Fingern darüber. Sanft und weich schmiegten sich die Blüten in ihre Handfläche. Sie sahen aus wie Engelsflügel. Jedes Mal, wenn eine solche Blüte neben ihr zu Boden fiel stellte sie sich vor, dass sie sich etwas wünschen konnte. Ihr Wunsch war immer derselbe.


Sie blieb lange sitzen. Hier, bei ihrem Baum. Wartend, auf alles, auf nichts. Irgendwann einmal nahm sie das Foto aus der Tasche neben ihr. Es war etwas zerknittert und an den Rändern abgegriffen, die obere rechte Ecke war eingerissen. Sie folgte dem Riss mit dem Zeigefinger. Sie hatte Angst, dass das Foto irgendwann einmal ganz zerfallen würde. Dass es in seine Einzelteile zerfallen und vom Wind davon getragen werden würde. Sie lächelte bei dem Gedanke daran, denn als sie es sich vorstellte, sah sie die vielen kleinen Schnipsel der Fotografie im Wind flattern, sich mit den Kirschblüten vermischen, bis man beide nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Irgendwie ein schöner Gedanke. Sie schaute das Bild an, sah es und sah es doch nicht. Sie kannte es in und auswendig.


„Pictures fade, but memories last a lifetime“, hatte er immer neckend zu ihr gesagt, sobald sie ihre Kamera aus der Tasche holte, und etwas festhalten wollte. „Du hängst zu sehr an Dingen- du solltest den Moment geniessen, statt dich immer hinter der Kamera zu verstecken.“. Mit einem hatte er Recht gehabt. Sie klammerte sich buchstäblich an Dinge, brauchte Halt und hatte Angst vor Veränderungen. Sie wusste das. Er wusste das. Manchmal kannte er sie einfach zu gut. Beängstigend und schön zugleich. Und doch, für sie schloss das Eine nicht das Andere aus. Sie konnte noch so beteuern, dass sie den Moment genoss, er hatte es ihr wohl nie so richtig geglaubt. Sie wünschte, sie hätte ihm begreiflich machen können, wie sehr sie sie genoss, diese Momente mit ihm.


via

Kommentare

  1. Schatz, ich bin sprachlos und sitze mit Tränen in den Augen vor dem Computer. Weiss gar nicht was sagen... ausser, dass ich das alles nur zu gut verstehe- 2 Jahre und der Schmerz sitzt immer noch so tief.

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  2. WOW!
    Ich hatte mich gestern schon gefragt ob's DIE Geschichte ist. Ich freue mich wahnsinnig für dich, dass es jetzt losgehen kann (=
    Du beschreibst einfach wunderbar, ich kann alles förmlich in 3D vor mir sehen, die Wiese, diese traurige Frau mit dem gebrochenem Herzen, ach, und die Natur um sich herum. Ich mag es total naturbeschreibungen zu lesen iwi :D
    sehr beklemmend geschrieben & ich freue mich auf mehr!
    Liebe Grüße an dich:*
    A.

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  3. danke für diesen wunderbaren text! gänsehaut mit jedem satz. ich freu mich, dass du was mit der methode anfangen kannst! auf jeden fall werde ich gleich den zweiten teil lesen!

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